Thüga: “Nicht mehr in Beteiligungen denken, sondern das große Ganze sehen”

Die Veränderungsgeschwindigkeit in der Branche hat rasant zugenommen. Die Thüga bündelt deshalb ihre Dienstleistungsgesellschaften unter einer Dachmarke.
Im Interview erklären Matthias Cord und Stephan Vulpus, was sie sich davon erhoffen.

Stv. Vorsitzender des Vorstands der Thüga Aktiengesellschaft,
Dr. Matthias Cord

Geschäftsführer der Thüga-Plusgesellschaft Providata,
Dr. Stephan Vulpus

Sie heißen Providata, Syneco Trading Thüga Assekuranz Services, Thüga Erneuerbare Energien und Thüga SmartService. Die sogenannten operativen Gesellschaften der Stadtwerkegruppe Thüga (die Plusgesellschaften) bündeln ihre Kräfte unter der neuen Dachmarke “thüga solutions”.

Was banal klingt, ist das Ergebnis eines längeren Abstimmungs- und Lernprozesses zwischen ganz verschiedenen Gesellschaftern mit unterschiedlichen Interessenslagen. Einige neue ganzheitliche Lösungen unter dem Namen der neuen Dachmarke sind bereits in Arbeit und werden auf der E-World vorgestellt. Mehr dazu verraten Matthias Cord, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Thüga AG und Stephan Vulpus, Geschäftsführer von Providata, im ZfK-Interview.

Herr Cord, die Thüga hat die Leistungen der operativen Dienstleistungsgesellschaften (Plusgesellschaften) unter der neuen Dachmarke thüga solutions gebündelt. Was erhoffen Sie sich davon konkret?

Matthias Cord: Die Partnerunternehmen der Thüga unterscheiden nicht so stark zwischen den einzelnen Plusgesellschaften, das läuft in der Regel immer unter dem Oberbegriff Thüga. Die Geschäftsführer der Plusgesellschaften haben deshalb die Entwicklung einer einheitlichen Dachmarke angeregt, die uns ermöglicht, noch präsenter am Markt zu sein.

Die Plusgesellschaften haben zum Teil Dutzende Gesellschafter, die ihre jeweiligen Interessen gewahrt wissen wollen. Insofern war das ein umfassender Abstimmungsprozess.

Wie lange lief der Vorbereitungs- und Planungsprozess?

Cord: Rund eineinhalb Jahre. Das ist vergleichsweise schnell, wenn man die komplexe Gesellschafterstruktur berücksichtigt. Der Anstoß kam nicht von außen, wir waren intrinsisch motiviert, das Thema weiterzuentwickeln.

Themen wie kommunale Wärmeplanung und Wasserstoff haben vor einigen Jahren noch kaum jemand interessiert.
(Matthias Cord)

Die Energiewelt verändert sich sehr schnell. Themen, wie die strategische und die kommunale Wärmeplanung, Wasserstoff etc. haben vor einigen Jahren noch kaum jemand interessiert. Aufgrund dieser Herausforderungen müssen wir aus unseren Silos heraus kommen, integriert und interdisziplinär entwickeln und umsetzen.

Herr Vulpus, Sie sind Geschäftsführer der Plusgesellschaft Providata und haben lange für die Dachmarke gekämpft. Warum ist Ihnen diese so wichtig?

Vulpus: Bis zur Gründung der thüga solutions war die Abstimmung zwischen den einzelnen Gesellschaften verbesserungsfähig. Noch wichtiger ist aber das Leistungsspektrum:. Wir als Providata sind beispielsweise für Daten- und Prozessmanagement zuständig. Das kann man am Markt aber allein kaum mehr anbieten, wenn man kein entsprechendes IT-System dazu hat.

Hier können wir jetzt dank der neuen Dachmarke, unsere Leistungen mit denen der Schwestergesellschaften kombinieren und umfassendere Lösungsangebote machen und noch passgenauer die Bedürfnisse der Partnerunternehmen bedienen.

Wir können durch die thüga solutions sehr viel schneller reagieren und am Markt sein.
(Stephan Vulpus)

Haben Sie ein Beispiel für solch ein neues Angebot?

Vulpus: Die Unternehmen der Thüga-Gruppe haben uns beispielsweise gespiegelt, dass bei der Wohnungswirtschaft ein großer Bedarf besteht, die gesamte Betriebskostenabrechnung an Dritte zu vergeben. Das ist ein schwieriges, umkämpftes Geschäftsfeld.

Statt das als Providata komplett alleine zu entwickeln, können wir auf die Expertise der Thüga SmartService (TSG) bei der Systemplattform und im Zähler-Management zurückgreifen. Wir haben hier eine entsprechende ganzheitliche Lösung entwickelt.

Durch die thüga solutions können wir auf die Anforderungen der Partnerunternehmen, die über das Standardgeschäft hinausgehen, sehr viel schneller reagieren und am Markt sein.

Es gibt die Marken der Plusgesellschaften, die Marke Thüga und die neue Dachmarke thüga solutions. Wie bringt man da die nötige Trennschärfe rein, wie soll der Kunde das auseinanderhalten?

Vulpus: Die Strahlkraft der Marke Thüga und der Bekanntheitsgrad sind natürlich sehr groß. Deswegen haben wir die Dachmarke auch von der Symbolwelt sehr nah an der Thüga AG positioniert – dies hilft uns im Außenauftritt. Aber die Dachmarke bietet noch mehr Potenzial als nur diese so genannten spill-over-Effekte, die aber an sich schon sehr wichtig sind.

Dieses Potenzial gilt es nun in den nächsten Schritten zu erschließen: Synchronisation der Kompetenzen, um Lösungen für die Energiewirtschaft schnell und effizient zu entwickeln und unseren Kunden zur Verfügung zu stellen, Bündelung der Innovationsaktivitäten, um gemeinsam mit den Partnerunternehmen die Energiezukunft zu gestalten etc.

Auch die Geschäftsführer der Plusgesellschaften wollten, dass weiterhin erkennbar bleibt, dass sie zur Thüga gehören.
(Matthias Cord)

Cord: Oberste Prämisse war für uns, dass eine neue Dachmarke zur Gesamtmarke Thüga passen muss. Auch die Geschäftsführer der Plusgesellschaften wollten, dass weiterhin erkennbar bleibt, dass sie zur Thüga gehören.

Gleichzeitig sollten aber auch die Unterschiede deutlich werden zwischen der Thüga als Beteiligungs- und Beratungsgesellschaft und den Plusgesellschaften, die als Dienstleister im operativen Geschäft tätig sind.

Neben der verbindenden Dachmarke, die insbesondere für gesellschaftsübergreifende Lösungen steht, bleiben die bisherigen Marken der einzelnen Plusgesellschaften bestehen, die gelernt sind und zeigen, wie vielfältig das Leistungsspektrum der Dienstleistungsangebote ist.

Dieser mentale Switch ist uns gelungen. Es wird aber immer wieder Diskussionen geben, wo man nachschärfen muss.
(Stephan Vulpus)

Wie herausfordernd war dieser Prozess, den Gesellschaftern der Plus-Gesellschaften zu vermitteln, dass es sich lohnt, unter eine gemeinsame Dachmarke zu schlüpfen?

Vulpus: Es war natürlich für viele der Beteiligten ein Lernprozess. Wenn die Providata einen Euro verdient, ist das natürlich gut. Wenn sich aber durch die Hinzunahme von Leistungen aus der TSG letztlich ein Ebit von 1,50 für die Thüga realisieren lässt, ist das im Gesamtkonstrukt natürlich noch besser.

Wir dürfen nicht mehr in Beteiligungen denken, sondern müssen das große Ganze im Blick haben. Letztlich zählt der Mehrwert für die Thüga-Gruppe. Dieser mentale Switch ist uns gelungen. Die Dachmarke hilft dabei. Es wird aber immer wieder Diskussionen geben, wo man nachschärfen muss.

Mit der neuen Dachmarke sollen ja Synergien gehoben werden. Werden die Lösungen künftig zu einem noch besseren Preis- Leistungsverhältnis zur Verfügung gestellt?

Vulpus: Die Antwort ist ein klares Ja. Bei Themen, wie Quartierskonzepten oder der Betriebskostenabrechnung, können wir Synergien heben. Das hilft uns natürlich, die Kosten zu senken. Von den Skaleneffekten sollen ja vor allem die Stadtwerke in der Thüga-Gruppe proctieren.

Wir als Providata sind beispielsweise alleine eigentlich nicht wettbewerbsfähig, die thüga solutions als Ganzes aber schon. Unsere Aufgabe wird es sein, hier in den nächsten Jahren sauber Prozess für Prozess und Geschäftsfeld für Geschäftsfeld zu durchleuchten. Hier sind wir auf einem guten Weg, die Partnerunternehmen agieren hier sehr offen mit uns.

Sie haben eine eigenständige Kommunikationsstrategie für die Dachmarke entwickelt. Wie sieht diese aus und was ist konkret vom Auftritt der thüga solutions bei der E-World zu erwarten?

Vulpus: Wir werden die einzelnen Plusgesellschaften bei der E-World relativ zurücknehmen und prominent das Thema thüga solutions spielen. Wir legen viel Wert auf sogenannte Brückenthemen, die die Gesellschafen gemeinsam entwickelt haben, etwa unsere Lösung zur Betriebskostenabrechnung für die Wohnungswirtschaft oder ein Lösungsangebot mit den Modulen Energiedatenmanagement und Energielogistik. Der Kunde kann da gar nicht mehr differenzieren, welcher Leistungsbaustein von welcher Gesellschaft kommt. Er sieht einfach nur noch die Gesamtlösung.

Der Bedarf an Lösungsangeboten wird weiter wachsen, beispielsweise im Zusammenhang mit der Umstellung auf SAP/S4/HANA

Gibt es weitere Beispiele für gemeinsam entwickelte neue Lösungsangebote? Ein gemeinsames PPA-Produkt ist ja beispielsweise geplant.

Cord: Ein Beispiel ist die Vermarktung von Wind- und Solarstrom von der Thüga Erneuerbare Energien über die Syneco. Ein weiteres Thema das Zusammenfahren der einzelnen Elemente im Bereich Energiedatenmanagement und – logistik, wo auch drei Plusgesellschaften orchestriert mitarbeiten.

Man hat ja schon bei der Thüga-Abrechnungsplattform gesehen, dass der Handlungsbedarf für Stadtwerke gerade im IT-Bereich groß ist, insbesondere das Thema Cost to Serve. Wir haben über 17 Millionen Zählpunkte zusammengebracht, 39 Unternehmen, die jetzt da mitmachen und dahinter stehen 120 Gesellschaften, die das nutzen werden. Zahlreiche weitere Stadtwerke haben Interesse angemeldet.

Wo sehen Sie genau den Zusammenhang zwischen TAP und thüga solutions?

Cord: Die Plusgesellschaften haben bereits bei der TAP sehr stark zugearbeitet, insofern steht dieses große Projekt exemplarisch für eine Entwicklung, die jetzt mit der neuen Dachmarke auch eine neue organisatorische Klammer bekommt. Der Bedarf nach Lösungsangeboten wird weiter wachsen, beispielsweise in Zusammenhang mit der Umstellung auf SAP/S4/HANA.

Wir wollen da im Hintergrund als Thüga die Dinge zusammenführen, die für unsere Partner sinnvoll sind. Deshalb glaube ich an den Erfolg der thüga solutions. Die Veränderungsgeschwindigkeit in der Branche wird weiter zunehmen, sodass wir permanent darauf reagieren müssen. Wir werden unser Beratung- als auch unser Dienstleistungsangebot jährlich überprüfen und nachjustieren.

(Die Fragen stellte Hans-Peter Hoeren)

Interview dankenswerterweise zur Verfügung gestellt von ZFK.